Ministerin Hubig: Bildungsfern?

Warum Ministerin Hubig glaubt, dass Abiturienten mehr Zeit zum Lernen hatten

Pressemitteilung von Helmut Schwehm, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen im Stadtrat Edenkoben.

In der Rheinpfalz war zu lesen, dass, wie J. Luttenberger und S. Schmidt in „Ansichten einer Ministerin“ berichten, Frau Hubig die Auffassung vertritt, Abiturienten hätten mehr Zeit zum Lernen gehabt trotz oder gar wegen der Lockdowns bzw Corona bedingten Einschränkungen. Immerhin seien ja schulische Veranstaltungen wie z.B. Klassenfahrten ausgefallen.

Mag sein, dass gut motivierte und lernkompetente Schüler*innen die Präsenzfreie Zeit und die wackeligen IT-Lernplattformen nutzen konnten, um, intrinsisch motiviert, ihren Wissenshorizont zu vertiefen und zu erweitern. Vermutlich hatten Schüler*innen, wie viele genau weiß man nicht, at home funktionierende Endgeräte und vielleicht hatten Schüler*innen auch, wie viele genau weiß man natürlich nicht, dazu noch eine förderliche pädagogische Umgebung für effektives schooling.

Ist diese „Schüler-Elite“ aber für unsere Bildungslandschaft repräsentativ? Wer das glaubt, ist womöglich auf eigenartige Weise bildungsfern und favorisiert insgeheim ein bildungsbürgerlich, fast mittelalterlich anmutendes „Hauslernsystem“, das Eliten privilegiert, aber markante Flächen unserer Bildungslandschaft vernachlässigt.

Es darf nach einem Jahr Corona festgehalten werden:

  1. Das Krisenmanagement im Bildungsministerium war nicht vorausschauend; neudeutsch: nicht proaktiv.
  2. Seit Januar 2020 hätten Investitionen, Planungen, IT Fortbildungen für Lehrkräfte und IT Trainings für Schüler*innen auf Hochtouren laufen müssen.
  3. Fortbildungen zum Erwerb von IT Führerscheinen und IT Kompetenzlevel-Assessments für alle Lehrkräfte hätten durchführt werden müssen. Zeit hätte sowohl während präsenzfreier Schultage, als auch während der unterrichtsfreien Zeiten in Schulferien ausreichend zur Verfügung gestanden. Bis Ende September, spätestens bis Ende November 2020 hätte dieser Nachqualifizierungsprozess abgeschlossen sein können.
  4. Eine schon im Dezember 2019 einberufene Task Force hätte Lernplattformen erarbeiten, bundesweite Kompatibilität überprüfen und technische IT Belastungstests an Schulen durchführen können.
  5. Eine weitere Task Force hätte mit geeigneten im Vertrieb und Einkauf erfahrenen Organisationen die Beschaffungsprobleme für Schülerhardware lösen können.
  6. Kooperationsverträge mit Hochschulen hätten Evaluationsprogramme entwickeln können, um die Effektivität und Effizienz, sowie um die soziale Tiefen-Dimension von Lernplattformen auswerten und überprüfen zu können.
  7. Schon während des ersten Lockdowns hätten Gesundheitsexpert*innen, Lüftungstechniker*innen und Virolog*innen , also eine interdisziplinäre Expertengruppe, Szenarien durchspielen können für Präsenzunterricht an Schulen unter viralen Bedingungen. Bis Ende August 2020 hätten HEPA und UV CD fähige Filteranlagen in den Klassenzimmern wirken können, schulgerechte Masken bereit gestellt werden und ausgefeilte Stundenpläne für Wechselunterricht einsatzbereit vorliegen können, ebenso wie eine schulspezifische Virus Tracking App.
  8. Man hätte die Krise nutzen können, um Strukturen zu schaffen, die vermutlich auch unabhängig von der aktuellen Krise in Zukunft notwendig sein werden. Dazu gehört allerdings ein nachhaltig proaktives Qualitätsmanagement für das Unternehmen Schule.
  9. Geld hätte vermutlich keine Rolle gespielt bei der sozialdemokratisch offerierten Bazooka.
  10. Hätte, hätte … Wie lange dauert es noch, bis das Unternehmen Schule tatsächlich wie ein gutes Unternehmen geführt wird?

Immerhin gibt es Beispiele, die zeigen, dass es auch anders gehen könnte als in RLP. Gerne hätte man in RLP die Stimmen des grünen Koalitionspartners zum Bildungsmanagement etwas deutlicher gehört. Gibt es da nicht eine „biologische“ Schnittmenge zwischen Bildungsministerium und Familienministerium.

Helmut Schwehm, 67480 Edenkoben